Zwei Herzen und Lucky

Scots-Love-Reihe Band 3

Erscheinungstermin: 22. Oktober 2021

Als E-Book (auch über Kindle Unlimited ausleihbar) und Taschenbuch bei Amazon erhältlich.

Umfang: 328 Taschenbuchseiten

ISBN-13 : 979-8-4835-2535-6

Was kann zwei einsame Seelen besser vereinen, als ein verloren geglaubtes Herz?

Sean McKenzie hat Glück im Unglück. Dank einer Herztransplantation erhält der erfolgreiche Geschäftsmann eine zweite Chance, trotzdem bleibt die Freude darüber aus. Er beschließt, die Angehörigen des Spenders ausfindig zu machen und mehr über den Menschen zu erfahren, dem er sein neues Leben verdankt.
Doch das Aufeinandertreffen mit Hailey, der Frau des Verstorbenen, verläuft anders, als er es sich vorgestellt hat. Sean findet nicht den Mut, ihr den Grund für seinen Besuch zu gestehen. Spontan bewirbt er sich bei ihr, denn die alleinerziehende Tierärztin leitet einen Bauernhof in Schottland und sucht dringend Mitarbeiter.
Obwohl sich Hailey anfangs abweisend verhält, hilft Sean ihr auf der Farm, in der Hoffnung, mehr über den Spender herauszufinden. Wie wird sie reagieren, wenn sie erfährt, dass das Herz ihres Mannes in seiner Brust schlägt?

Dieses Buch enthält leidenschaftliche und dramatische Szenen mit Happy-End-Garantie. Die Liebesgeschichte um Sean und Hailey ist ein moderner, zeitgenössischer Liebesroman mit romantischen Momenten, vielen Tränen und ganz viel Liebe.

Bei „Zwei Herzen und Lucky“ handelt sich um den dritten Teil einer Reihe ohne Cliffhanger und ist in sich abgeschlossen.

Leseprobe

Sean

Ruppiger als beabsichtigt, stelle ich das Whiskyglas auf den Couchtisch und sehe meine Mom verständnislos an. Ihr breites Grinsen passt nicht zu der Tatsache, dass sie uns vor wenigen Sekunden verkündet hat, sich von ihrem mittlerweile sechsten Ehemann scheiden zu lassen. Meine Freundin Cassandra legt mir die Hand auf den Rücken und streichelt mich beruhigend. Im Gegensatz zu meiner Mom ist ihr nicht entgangen, dass ich aufgebracht bin. Innerlich hoffe ich, dass es sich um einen Aprilscherz handelt.
»Das ist nicht dein Ernst, Mom!«, sage ich mit bebender Stimme.
»Natürlich! Ich habe mich neu verliebt«, flötet sie und lässt damit die Bombe platzen.
Ich lege den Kopf in den Nacken und atme geräuschvoll aus. Der orientalische Duft, der von den Räucherstäbchen in der Luft hängt, kratzt im Hals.
»Wer ist dein neuer Freund und zukünftiger siebter Ex-Mann?«
»Sean!«, faucht sie und sieht mich verärgert an. »Anstatt dich über mich auszulassen, solltest du endlich in Betracht ziehen, Cassandra einen Antrag zu machen. Ihr seid schon seit zehn Jahren ein Paar. Es wird Zeit.«
Auch das noch! Wie soll ich meiner Mom erklären, ohne sie zu kränken, dass ich auf keinen Fall heiraten werde? Ich hatte bisher mehr Stiefväter, als mir lieb ist und möchte nicht wie einer von ihnen enden. Denn meine Mom kassiert nach der Scheidung immer eine beachtliche Summe von den abgeschobenen Männern.
»Wie kommt Oliver mit der Trennung zurecht?«, lenke ich gekonnt von ihrer Anspielung ab.
Ich habe mich in den letzten Jahren mit ihm angefreundet und hatte das Gefühl, dass die beiden bis an ihr Lebensende glücklich bleiben. Damit habe ich mich geirrt. Er ist einer der besten Männer, den meine Mom geheiratet hat. Der Arme tut mir leid, weil er ein sanftes Gemüt hat.
Mom presst die Lippen aufeinander, während Cassandra ihre Hand von meinem Rücken nimmt. Da ich das Thema gewechselt habe, scheinen beide Frauen sauer auf mich zu sein.
»Er hat es schlecht verkraftet.«
Wie ich meine Mom kenne, war sie sicher nicht sehr taktvoll. Sie hat leider keinen Sinn für Empathie und verhält sich manchmal wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Damit hat sie meinen leiblichen Dad vertrieben, bevor ich geboren wurde.
»Und wer ist deine neue Liebe?«, fragt Cassandra.
»Er heißt Harvey, ist zwanzig Jahre jünger als ich und arbeitet als Dozent für Kunstgeschichte. Wir haben uns auf einer Auktion kennengelernt.«
»Interessant. Wann stellst du uns vor? Ich würde –«
»Wie bitte?«, krächze ich und unterbreche meine Freundin.
Bisher hatte sie immer Männer in ihrem Alter. Allein die Vorstellung, mit einer Frau zusammen zu sein, die meine Mom sein könnte, stößt mich ab. Wahrscheinlich sucht sie nur Bestätigung bei ihm. Aber ist sie nicht zu alt für eine Midlife-Crisis? Egal. Meiner Meinung nach wird es keine dauerhafte Beziehung.
»Was meinst du?«, fragt Mom mit Unschuldsmiene.
»Er könnte mein Bruder sein.«
»Immer diese Vorurteile«, erwidert sie kopfschüttelnd und schlägt schwungvoll ein Bein über. »Die Liebe kennt eben kein Alter.«
Sprachlos greife ich nach dem Whiskyglas vor mir und trinke es in einem Zug leer. Der Alkoholgehalt in meinem Blut reicht nicht, um diese Nachricht zu verdauen.
Was ist in meine Mom gefahren? Merkt sie nicht, dass sie mich mit ihrem Lebensstil bereits in junger Kindheit traumatisiert hat? Viele Jahre wusste ich nicht, wer mein richtiger Dad ist, da ich ständig zu jemand anderem Daddy sagen musste. Außerdem bekam ich regelmäßig neue Stiefgeschwister, und wir sind ständig umgezogen.
Meine dabei entstandene Bindungsangst konnte ich erst durch eine Therapie überwinden. Als ich meine Freundin vor etwas über zehn Jahren auf einer Party kennenlernte, war ich sofort hin und weg von ihr, aber nicht in der Lage, eine Beziehung mit ihr einzugehen.
Auch wenn wir einen turbulenten Start hatten, sind wir mittlerweile ein eingespieltes Team und führen eine intakte Partnerschaft. Sicher gibt es hier und da Streit, allerdings nichts, was uns auseinanderbringen könnte. Cassandra ist ein liebenswerter Mensch und trotz ihrer steilen Karriere nicht so abgehoben wie andere Filmstars.
Wir pflegen zwar einen luxuriösen Lebensstil, sind ständig auf erstklassigen Partys eingeladen und genießen es, trotzdem bedeutet sie mir mehr als dieser gehobene Alltag. Cassandra ist die Frau, die mein Herz im Sturm erobert hat und mit der ich alt werden möchte.
Ihr Lächeln verzaubert mich noch wie am ersten Tag. Ich kann mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen, selbst wenn wir beruflich sehr eingespannt sind und meist wenig Zeit füreinander haben.
»Ich habe heute eine großartige Neuigkeit von meiner Agentur erhalten«, beginnt Cassandra und wirft elegant ihre langen schwarzen Haare nach hinten. »Obwohl ich fest damit gerechnet habe, bin ich beinahe ohnmächtig geworden. Ich bekomme die Hauptrolle vom letzten Vorsprechen in Los Angeles!«, quietscht sie in einer viel zu hohen Tonlage.
»Wie wunderbar!« Mom klatscht überschwänglich in die Hände. »Du bist eine großartige Schauspielerin. Ich freue mich schon sehr auf die Serie. Es ist wieder eine Romanze, oder?«
»Ja. Ich werde diesmal eine Zeitreisende spielen.«
Außerdem sollen laut ihrer Aussage explizite Sexszenen enthalten sein. Es gefällt mir nicht, dass die ganze Welt – einschließlich meiner Mom – meine Freundin nackt sehen kann. In den ersten Jahren unserer Beziehung habe ich mich schon mit den Filmküssen schwergetan.
Während unserer Kennlernphase war sie meist in kleineren Nebenrollen zu sehen, aber ihr Talent hat sie weit gebracht, sodass sie mittlerweile weltweit bekannt ist. Ihr guter Ruf wirkt sich sogar positiv auf meine Geschäfte aus.
»Ist das aufregend!« Mom schaut zu mir. »Bleibst du während der Dreharbeiten in Los Angeles?«
Nicht nur Cassandra sieht mich erwartungsvoll an. Ich räuspere mich. Bei ihrer ersten Hauptrolle war ich dabei, mittlerweile schaffe ich es aus beruflichen Gründen nicht mehr. Es fällt mir zwar nicht leicht, sie einige Wochen lang nicht zu sehen, aber unserer Beziehung hat es bisher nicht geschadet.
Ich schaue mich im Wohnzimmer um, während ich mir eine Antwort überlege. Mom ist Antiquitätenliebhaberin, und ihr Apartment quillt mit ihrer Kunstsammlung über. Da ich von Kunst keine Ahnung habe, weiß ich nicht, was sie alles besitzt. Meinen Geschmack trifft es nicht, da ich es eher modern mag.
»Wir haben das Thema zwar noch nicht endgültig geklärt, aber ich denke, nicht. Ich eröffne in dieser Zeit mein drittes Fitnesszentrum – da kann ich unmöglich am anderen Ende der Welt sein.«
»Als hätten wir nicht schon genug von den Dingern in Edinburgh«, erwidert Mom kopfschüttelnd.
Sie hat meine Geschäftsidee noch nie geschätzt. Es versetzt mir immer einen Stich ins Herz, aber die Zahlen sprechen für sich, sodass ich Moms abwertende Behauptung kommentarlos hinnehme.
»Sean hat mir das Konzept vorgestellt. Es wird ein Erfolg«, erklärt ihr meine Freundin und tätschelt mein Knie.
Ich erwarte nichts anderes, denn ich war nicht zum Spaß in Oxford – auch wenn dieser während des Studiums nicht zu kurz gekommen ist. Es existieren bereits Pläne für die Expansion nach London. Die Fitnessindustrie ist eben ein lukratives Business, und ich bin dabei, mir einen Namen zu machen. Meine Konkurrenz wird nicht mehr lange überleben, da ihre Kunden zu mir überlaufen.
»Selbstverständlich. Schließlich wird es die größte Wohlfühloase in der Stadt. Der dazugehörige Spa-Bereich wird außergewöhnlich.« Ich schaue flüchtig auf die Uhr, erhebe mich von der Couch und schließe mein Jackett. »Wir müssen los. Ich habe gleich noch ein Geschäftsessen.«
»Schade. Wir sehen uns zu selten.« Mom steht ebenfalls auf und umarmt mich. »Denk an deine Gesundheit und überarbeite dich nicht.«
»Keine Chance, dein Sohn ist ein Workaholic. Auf mich hört er auch nicht«, wirft meine Freundin ein und verabschiedet sich von ihr.
Wir verlassen Moms Apartment, gehen zu meinem schwarzen Aston Martin V8, den ich mir letzten Monat gegönnt habe, und steigen ein. Ich möchte den Motor starten, doch Cassandra umfasst meine Hand. Verwundert halte ich inne.
»Sie hat recht«, säuselt sie.
»Womit?«
Ich wende mich ihr zu und sehe sie verständnislos an.
»Dass wir heiraten sollten.« Ihre Augen strahlen vor Verzückung. »Findest du nicht auch?«
»Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Wir waren uns doch einig. Du wolltest dich auf deine Karriere konzentrieren und ich mich um meine Geschäfte kümmern.«
»Sean, wir sind über dreißig und haben in unserem Leben viel erreicht. Mittlerweile sehe ich einiges mit anderen Augen als noch vor zehn Jahren … Ich möchte auch eine Familie.«
»Eine Familie?«, wiederhole ich und kann die Überraschung kaum verbergen. »Wir sehen uns während deiner Dreharbeiten wochenlang nicht. Wie stellst du dir das vor?«
Sie seufzt tief und zieht ihre Hand zurück. Obwohl mir die Vorstellung gefällt, Kinder zu haben, wäre es bei unseren Lebensumständen unvernünftig. Wir arbeiten nonstop und haben meistens schon Probleme, Zeit füreinander aufzubringen.
»Ich kann nach dem Dreh eine längere Pause einlegen.«
»Und was passiert danach? Du hast einen Vertrag für eine Serie in der Tasche. Wer weiß, wie lange gedreht wird.«
»Nun ja, wir können eine Nanny engagieren.«
»Cassy, ich halte nichts davon, Kinder in die Welt zu setzen, um sie dann in fremde Hände zu geben. Das müsstest du wissen. Wenn wir welche hätten, möchte ich Zeit mit ihnen verbringen und später nicht bereuen müssen, sie vernachlässigt zu haben.«
»Ach, Sean … Viele meiner Kollegen handhaben das so. Sie bringen ihre Kinder manchmal zu den Dreharbeiten mit. Aber wenn du das nicht möchtest, könntest du einen CEO einstellen, dann hast du mehr Zeit.«
Nun soll ich meine Karriere vernachlässigen, damit sie es nicht tun muss?
»Ich habe dir doch von meinen Plänen für London erzählt. Die kann ich nicht mehr auf Eis legen. Dafür steht zu viel auf dem Spiel.«
»Deine Mom würde uns auch unterstützen.«
Bei dem Gedanken stellen sich meine Nackenhaare auf. Sie ist definitiv nicht als Babysitter geeignet.
»Lass uns dieses Gespräch fortsetzen, wenn du aus L. A. zurück bist.«
»Warum habe ich das Gefühl, dass du mich abwimmelst?«, murrt sie.
»Darling, wir sind seit einem Jahrzehnt zusammen. Ich sehe keinen Grund zu heiraten. Es ist nur ein Stück Papier. Außerdem könnten wir auch ohne Ehe Kinder bekommen. Nur momentan sind wir beruflich zu sehr eingespannt, also sollten wir warten.«
Cassandra verschränkt die Arme vor der Brust und schaut trotzig aus dem Fenster. So habe ich sie noch nie erlebt. Ich kann nicht verstehen, warum ihr eine Familie plötzlich so wichtig ist. Bisher ging es ihr ausschließlich um ihre Karriere, und ich spielte immer nur die zweite Geige.
»Du siehst die romantische Geste dahinter nicht.«
Ich verdrehe die Augen. Beim Thema Hochzeit schrillen sämtliche Alarmglocken, und das wird sich auch niemals ändern.
»Und wenn wir uns nach ein paar Jahren scheiden lassen, geht es mir so wie meinen Dads. Daran ist nichts Romantisches. Glaub mir. Ich habe es hautnah miterlebt. Und unser Kind würde darunter leiden.«
»Warum rechnest du gleich mit dem Schlimmsten?«
»Weil ich es immer und immer wieder erlebt habe. Verstehst du das nicht? Weshalb sollten wir die große Ausnahme darstellen?«
»Vergleichst du tatsächlich unsere Beziehung mit denen deiner Mom?«, keift sie.
»Nein, natürlich nicht.« Ich umfasse ihre Hand. »Cassy, ich liebe dich. Du musst verstehen, dass meine Abneigung gegen das Heiraten nichts mit dir zu tun hat. Aber wirf mir bitte nicht vor, ich hätte es dir nicht gesagt, denn das habe ich. Klar und deutlich – du warst einverstanden.«
Sie entzieht mir ihre Hand.
»Dann sollten wir uns trennen!«
Ich spüre, wie mir sämtliches Blut aus dem Gesicht weicht. Habe ich mich verhört? Das kann nicht ihr Ernst sein!? Wir sind glücklich miteinander, oder etwa nicht? Und nur, weil ich auf gar keinen Fall vor den Traualtar treten und meine Geschäfte vernachlässigen will, heißt es nicht, dass ich nicht mit ihr zusammensein möchte.
»Wieso?«, bringe ich gerade so heraus.
»Es ist offensichtlich, dass sich unsere Prioritäten im Laufe der Jahre gewandelt haben und wir keine gemeinsamen Ziele mehr anstreben.«
Ihre Worte klingen wie einstudiert. Ich erkenne meine Freundin nicht wieder. Bisher waren wir uns immer einig. Und nun will sie sich plötzlich trennen? Ich starre sie fassungslos an.
»Lass uns jetzt nicht unüberlegt handeln!«
»So ist es nicht. Ich habe schon längere Zeit darüber nachgedacht.«
Seit wann redet sie nicht mehr mit mir? Ihr Verhalten wird mir von Sekunde zu Sekunde unerklärlicher. Aber dann finde ich eine mögliche Erklärung.
»Hast du einen anderen?«
»Nein, natürlich nicht!« Sie knetet die Hände, die auf ihrem Schoß ruhen, und senkt den Blick. »Da ist zwar ein Mann, den ich in L. A. kennengelernt habe, aber zwischen uns lief nichts.«
Unfassbar! Vor wenigen Minuten sprachen wir über Kinder und Heiraten, und kurz danach sagt sie mir durch die Blume, dass es schon einen Nachfolger für mich gibt? Folgt Cassandra dem Beispiel meiner Mom?
»Da dachtest du dir, du gibst mir vorher eine letzte Chance und setzt mir die Pistole auf die Brust? Der nächste Kerl scharrt schließlich schon mit den Hufen.«
»So in etwa.«
Mein Herzschlag setzt kurz aus. Ich balle die Hände zu Fäusten, lege die Arme auf das Lenkrad und bette die Stirn darauf. All die besonderen Momente mit Cassandra laufen wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Die Vorstellung, sie zu verlieren, schnürt mir die Kehle zu.
»Und ich habe immer geglaubt, du wärst anders«, murmle ich benommen.
»Ich möchte nicht mein restliches Leben auf der Stelle treten. Du bist ein toller Mann, aber wir haben keine Zukunft.«
Meine Brust zieht sich ruckartig zusammen. Ich bekomme immer schlechter Luft und lockere fahrig meine Krawatte. In meinem Kopf dreht sich alles. Da dachte ich, die Nachricht, dass sich meine Mom erneut scheiden lässt, hätte mir den Boden unter den Füßen weggezogen, aber nun bin ich mir sicher, erst jetzt den Halt zu verlieren.
Mir wird übel. Hastig öffne ich die Fahrertür und steige aus. Ich lehne mich mit dem Rücken an mein Auto und sauge pfeifend Sauerstoff ein, aber er kommt nicht in meiner Lunge an. Kalter Schweiß sammelt sich auf meiner Stirn, mein Herz krampft schmerzhaft.
Stöhnend presse ich die Hand gegen die Brust, in der Hoffnung, die Qualen zu mildern, und laufe taumelnd los. Ich sehe nur verschwommen und fühle mich wie in Watte gepackt, trotzdem setze ich einen Fuß vor den anderen.
Es ist ein Albtraum. Cassandra trennt sich von mir, als wäre ich ein gebrauchter Gegenstand, den sie nicht mehr benötigt und gegen einen besseren eintauscht. So emotionslos habe ich sie noch nie erlebt. Ich habe alles für sie gegeben, aber nun tritt sie meine Liebe für sie mit Füßen! Wie konnte es dazu kommen?
»Sean!«
Abrupt bleibe ich stehen und drehe mich um. Doch mitten in der Bewegung trifft mich etwas Hartes mit voller Wucht an der Seite. Unerträgliche Schmerzen schießen explosionsartig durch meinen Körper, während ich umhergeschleudert werde. Ich höre einen lang anhaltenden Schrei, fühle mich schwerelos, weiß nicht, wo oben und wo unten ist, und suche nach Halt. Doch ich finde keinen. Meine Umgebung dreht sich mit mir.
Nach einer gefühlten Ewigkeit schlage ich mit voller Wucht auf dem Asphalt auf und drehe mich einige Male um mich selbst. Sämtliche Luft schießt mir beim Aufprall aus der Lunge. Ich höre quietschende Reifen und aufgebrachte Rufe, als ich auf dem Rücken zum Liegen komme. Sterne tanzen vor meinen geschlossenen Augen.
»O Gott, Sean!«, wimmert eine Frauenstimme und streichelt mich an der Wange.
»Cassy?« Auch wenn es mir unendlich schwerfällt, schlage ich die Lider auf. Ich betrachte ihre grün schimmernden Augen. »Was ist passiert?«
Tränen fließen unaufhörlich über ihre Wangen.
»Du wurdest von einem Auto angefahren«, wispert sie verzweifelt.
Die Erklärung trifft mich wie ein Hammerschlag. Während ich ausatme, sticht es heftig in meiner Brust. Alles fühlt sich merkwürdig an. Es ist, als würde ich mich nicht mehr in meinem Körper befinden.
»Scheiße – ich spüre nichts mehr.«
Sie wirft einen flüchtigen Blick zu meinen Beinen und schluchzt herzzerreißend.
»Das ist bestimmt der Schock.«
Um uns herum versammeln sich Leute und reden aufgeregt. Cassandra schaut Hilfe suchend auf.
»Jemand muss einen Krankenwagen rufen!«
»Wie schlimm sieht es aus?«, frage ich.
»Ach, nur ein paar Kratzer«, antwortet sie, aber ich erkenne an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie lügt.
»Darling?«
»Hm?«
»Ich liebe dich.«
Warum habe ich das dringende Bedürfnis, ihr das jetzt zu sagen? Nichts erscheint mir in diesem Moment wichtiger. Sie legt die Hand auf meine Stirn und betrachtet mich intensiv. Mein Herz holpert erneut.
»Oh, Sean! Ich liebe dich auch. Vergiss, was ich vorhin gesagt habe. Du hast recht. Es ist nur ein Stück Papier. Das brauchen wir nicht, um glücklich zu sein. Es war falsch von mir, dir –«
Ich höre ihre Stimme von Wort zu Wort undeutlicher. Meine Lider fallen zu. Stöhnend presse ich die Lippen aufeinander und schmecke Blut. Mein Herzschlag wird ruhiger. Dann erfasst mich eine eigenartige Stille, und ich stürze in einen tiefen, dunklen Abgrund.